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Von: Patrick Freiwah
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Der Elektroauto-Boom ist abgeflacht und die Antriebswende hin zu E-Mobilität ins Stocken geraten. Besonders die hiesigen Zulieferer trifft die Entwicklung offenbar hart.
München - Der Hochlauf der Elektromobilität ist jäh unterbrochen. Seit dem Ende der staatlichen Kaufprämie sind E-Autos in Deutschland weniger gefragt als vorher. Wurden in den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres hierzulande 124.476 Fahrzeuge mit E-Antrieb neu zugelassen, ist die Zahl von Januar bis April 2024 auf 111.005 zurückgegangen.
Absatzschwund bei E-Autos: Deutsche Zulieferer leiden
Von einem „Einbruch“ der Zahlen kann man zwar nicht sprechen, allerdings ist durch die Maßnahme der Bundesregierung die schnelle Antriebswende weg von Verbrennermodellen gestoppt worden. Dass Benziner und Diesel selbst in der EU noch viele Jahre zum Straßenbild gehören, steht mittlerweile außer Frage.
Leidtragende dieser Entwicklung sind hierzulande zahlreiche Zulieferer. Während Autobauer (OEMs) bis dato „nur“ mit sinkenden Einnahmen zu kämpfen haben, trifft es viele Unternehmen, welche für die Bereitstellung von Bauteilen zuständig sind, wesentlich härter.
Mercedes-Benz reduziert Abnahmemenge - mangelnde Fairness?
Ein Bericht der Wirtschaftswoche verdeutlicht die Probleme, die sich aus den unter den Erwartungen liegenden Absatzzahlen von E-Autos ergeben. Weil Konzerne wie Mercedes-Benz aktuell deutlich weniger Bauteile als geplant abnehmen, geraten hiesige Zulieferer in Turbulenzen.
So sollen sich die Stuttgarter den Unmut von ZF Friedrichshafen zugezogen haben, weil die Van-Sparte viel weniger elektrische Antriebsstränge für den Mercedes eSprinter abgenommen habe, als ursprünglich vereinbart. Ein Hersteller von Türgriffen soll sich mit der Premiummarke derweil „heftig über Kompensationszahlungen“ gestritten haben, nachdem man für 2024 viel Geld in die Erweiterung der Produktionskapazitäten gesteckt hatte.
Kurz vor Jahresende strich Mercedes die Erhöhung der Bestellungen wegen geringer E-Auto-Nachfrage um 33 Prozent zusammen - vor wenigen Wochen dann angeblich nochmal. Nun würden die Verluste des Zulieferers in die Millionen gehen, was den Autobauer laut eines Insiders nicht kümmert. In dem Bericht ist die Rede davon, seit Mercedes aufgrund von Elektroautos selbst in Schwierigkeiten sei, „scheine Fairness keine Rolle mehr zu spielen“.
Flaute beim Elektroauto-Absatz - „Volumen sollte dreimal so hoch sein”
In dem Bericht werden weitere Beispiele enttäuschter Erwartungen im Hinblick auf den E-Auto-Absatz genannt, die sich nach dem Ende der Kaufprämie als nicht mehr haltbar erweisen. Der Chef eines nicht genannten Unternehmens wird mit den Worten: „Das Volumen sollte eigentlich dreimal so groß sein, wie es heute ist“, zitiert.
Die Euphorie in Sachen Elektroautos ist längst gewichen, mittlerweile steht selbst das von der EU geplante Verbrenner-Aus für Neuwagen auf der Kippe und hiesige Autobauer verschieben das Ende von Benzin- und Dieselmotoren.
Das Problem für die Zulieferer ist, dass die Verträge mit Herstellern wie BMW, aber auch Volkswagen oder Opel (früher PSA) offenbar zum großen Teil schon mehrere Jahre alt sind – und der Absatz von Autos mit Verbrennungsmotor ein Selbstläufer war. Vereinbarungen über eine mögliche Entschädigung bei reduzierter Abnahmemenge seien unzureichend – und sorgen bei Zulieferern für Unklarheit, zusätzlich zu den weggefallenen Einnahmen.
E-Mobilität: Schwund der Hersteller liegt auch am härteren Wettbewerb
Das führt zu „harten Verhandlungen“ der Beteiligten, wenngleich Autobauer den Angaben zufolge auch zu Zugeständnissen bereit sind. Für VW liegt der Absatzschwund übrigens nicht nur an der Kappung staatlicher E-Auto-Förderung, sondern auch „Unsicherheit im Kaufverhalten der Kunden“ sowie „steigender Wettbewerb“, wird der Konzern in der Wirtschaftswoche zitiert. Eine Umfrage sorgt diesbezüglich für Aufsehen.
Freilich haben die Wolfsburger selbst schon lange mit Problemen bei E-Mobilität zu kämpfen: Laut Braunschweiger Zeitung ist aktuell wieder die Produktion im Komponentenwerk gedrosselt, angesichts der Auftragslage. Eine Sprecherin verweist gegenüber dem Blatt darauf, dass man dennoch „gut aufgestellt“ sei, weil dort auch Bauteile für Verbrennermodelle vom Band laufen.
Autoindustrie in der Krise: Wer bei Antriebstechnologie breit aufgestellt ist, fällt weicher
Weniger wirtschaftliche Schwierigkeiten haben indes Zulieferer, die nach wie vor auf Verbrennermodelle setzen, oder auch Hybridmodelle. Denn wer die Möglichkeit hat, Komponenten für mehrere Antriebsgattungen zu fertigen, ist breiter aufgestellt und gehört eher zu den Gewinnern.
Geht es nach dem Europa-Chef von Hyundai, befindet sich E-Mobilität allerdings nicht wirklich auf dem absteigenden Ast. „Man liest überall, Elektroautos seien nicht mehr gefragt. Das stimmt so aber nicht. Wir haben uns nur etwas zu schnell an extremes Wachstum von 60 bis 70 Prozent pro Jahr gewöhnt“, findet Michael Cole.
In einem Interview mit dem Manager Magazin erklärt der Brite, dass der deutsche Markt „gerade sehr schwierig“ sei, es in Europa jedoch ein kontinuierliches Wachstum dieser Antriebstechnologie gibt. Für den Hyundai-Manager war schon länger klar, „dass der Wettbewerb intensiver“ werde.
Zulieferer von Insolvenzen bedroht: „Autosektor der kritischste Bereich“
Deutsche Zulieferer können sich davon wenig kaufen. Viele haben sich auf die Zusagen der Autobauer verlassen und nun Schwierigkeiten, mit der eingebrochenen Nachfrage nach E-Autos zurechtzukommen.
Von der Wirtschaftsprüfergesellschaft Deloitte befragte Insolvenzexperten und Manager erwarten eine Zunahme von Unternehmensrestrukturierungen. Betroffen seien demzufolge vor allem auch Autozulieferer, so die Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die „Transformation zu E-Mobilität und Digitalisierung in der Automobilindustrie könnten nicht alle Zulieferer überleben“, besonders weil die Verschuldung durch höhere Kosten und auch Zinsen deutlich gewachsen sei. „Mittelfristig sehen die Experten den Automobilsektor als den kritischsten Bereich“, so die These des Deloitte-Reports. (PF)
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