Ronnie O'Sullivan, das innerlich zerrissene Enfant Terrible des Snookers (2024)

Aktuell läuft die Snooker-WM. Darum haben wir uns einen Spieler rausgesucht, den wir euch mal etwas anders vorstellen wollen. Und unsere Wahl fiel natürlich auf Ronnie O’Sullivan. Warum natürlich? Das erfahrt ihr hier.

Ich sollte es wohl besser von Anfang an klarstellen. Ich bin kein ausgemachter Snooker-Hardcorefan. Noch schlimmer: Immer wieder durchlebe ich Phasen, wo ich dem Sport den Rücken kehre, er mir einfach nicht genug gibt. Und genau hier sehe ich meine größte Parallele zu keinem Geringeren als Ronnie O’Sullivan.

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Denn der Mann, der von vielen für den besten und von den meisten für den genialsten Snooker-Spieler aller Zeiten gehalten wird, ist derselbe Mann, den sein Sport in der Vergangenheit zu einem psychischen Wrack gemacht hat („Snooker-Depression”, wie er es nannte), ist derselbe Mann, der immer mal wieder damit droht, seinem Sport ganz den Rücken zu kehren. Letzteres hat er übrigens schon durchgezogen, wenn auch nur für eine Saison (2012/13), als er monatelang auf einer Schweinefarm arbeitete. Nur um im Folgejahr, kurz nach seinem Comeback, gleich mal Snooker-Weltmeister zu werden.

Was an Ronnie O’Sullivan so toll ist, ist die Tatsache, dass es nicht nur einen gibt. Er ist das Gegenteil von dem, was Literaturwissenschaftler einen flat character nennen würden. Er hat Widersprüche, eckt an, ist einfach Mensch. Wenn mich einer fragen würde, für welche Snooker-Spieler ich jemals so etwas wie persönliche Zuneigung empfunden habe, dann waren es zwei: der viel zu früh verstorbene Paul Hunter, der in seinem ersten Masters-Finale—als er schon 2:6 nach Frames zurücklag—eine Pause nahm, mit seiner Frau schlief und im Anschluss das Spiel drehen konnte.

Und der zweite ist, wie sollte es anders sein, Ronnie O’Sullivan, The Essex Exocet. O’Sullivan ist jemand, der Stellung bezieht, persönlich wird. Auch indem er politisch wird. Wie etwa bei den englischen Parlamentswahlen 2015, als er öffentlich den Labour-Kandidaten Ed Miliband unterstützte und mit ihm sogar (werbewirksam) eine Runde Pool spielte:

Gleichzeitig ist er jemand, der schon mit so vielen Dämonen zu kämpfen hatte, dass er einfach menschlicher (was nicht durchweg positiv gemeint ist) als andere Sportstars sein muss. Sei es, dass sein Vater—den er schon während seiner Kindheit wenig zu Gesicht bekam—18 Jahre wegen Mordes hinter Gittern saß, oder Ronnie alkoholabhängig war, bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker dann aber seine jetzige Lebensgefährtin kennengelernt hat. O’Sullivan hat so viel mehr erlebt, dass Snooker für ihn zwar Rückzugsort, aber nie wirklich alles war. Ungefähr so wie für mich.

Eine Rakete in einem Minenfeld

Wer schon mal Snooker spielen war, kennt das. Man steht vor diesem riesigen Tisch und fragt sich, wie das die Stars der Szene so meisterlich beherrschen können. Dann greift man zum Queue und macht den Eröffnungsstoß. Natürlich ist mal wieder keine Kugel in den Taschen gelandet. Dein Kumpel bewegt sich gedankenverloren um den Tisch herum und versucht, einen guten Einstieg zu schaffen. Die anvisierte Kugel landet zwar im Loch, doch das Break ist trotzdem schon verhunzt. Ihr beide tauscht euch erneut darüber aus, wie verdammt schwer doch dieser Sport ist. Dein Kumpel greift zur Kreide. Du änderst kurz die Musik an der Jukebox. Denn der fünf Minuten lange Song ist schon wieder zu Ende. Und zack erinnerst du dich, dass Ronnie O’Sullivan, um den gesamten Tisch im schnellsten Maximum Break der Geschichte abzuräumen, auch nur ein bisschen mehr als fünf Minuten gebraucht hat. Und zwar im legendären Crucible anno 1997.

Neben Essex Exocet hat O’Sullivan noch einen weiteren Spitznamen: The Rocket. Der Grund ist einfach. Die fünf schnellsten Maximum Breaks gehen allesamt auf sein Konto. „Warum nur so schnell, Ronny?”, ist man geneigt zu fragen. Die Frage hat er schon mal beantwortet: „Wenn ich stoppen würde, um zu überlegen, hätte ich nicht mehr getroffen.”

Der klarste Beweis dafür, dass Ronnie O’Sullivan ein Genie ist, sind seine Anspielungen, dass er sein Gehirn für einen seiner größten Feinde hält. „Ich bin ein Arbeitstier”, meinte er einst über sich und sein Leben. „Habe angefangen, ein paar Turniere zu gewinnen, meine ersten Trophäen zu sammeln, und es hat sich gut angefühlt.” Dem Sport kann er aus mindestens einem Grund nicht komplett den Rücken kehren: „Ich habe nicht das erreicht, was ich hätte erreichen können.” Dann schob er schnell hinterher, um nicht überheblich zu klingen: „Aber klar, ich war schon erfolgreich, habe vieles gewonnen, viele Haken gesetzt.” Dabei zeigt sein Gesicht fast keine Regung, außer vielleicht eine gewisse verdammt menschliche Rat- und Hilflosigkeit.

Selbst wenn sich Ronnie O’Sullivan aus unmöglichen Snooker-Situationen mit genialen Stößen zu befreien wusste, kriegte er oft nicht mehr als eine gequälte Grimasse heraus. Ronnie O’Sullivan ist ein Getriebener. Wenn er Trophäen in die Luft hebt, hat man das Gefühl, dass er selbst noch nicht das Gefühl hat, angekommen zu sein. Schließlich ist es ja auch nur Snooker. Und gleichzeitig ist es das, was keiner so gut kann, wie er. Schwierig.

Ein echter Ronnie-Moment: Als er als 14-jähriges Snooker-Wunderkind gefragt wird, wie groß er als Spieler werden will

„1,78 Meter”, antwortete er blitzartig. Das ist wohl die coolste Antwort, die jemals ein 14-Jähriger gegeben hat. Er meinte, er wüsste nicht, warum die Anwesenden alle lachen würden. Schließlich gab er nur das zur Antwort, was seinen Nachforschungen zufolge die optimale Größe für einen Snookerspieler sei. Doch während er das sagte, war ein Funkeln in seinen Augen zu sehen. Genau das war Ronnie, genau in diesem Moment. Zwei Seiten, von denen die eine nicht wirklich wusste, was die andere gerade machte.

Manch einer würde unter dieser Kategorie vielleicht auch das Match gegen Barry Pinches bei den diesjährigen Welsh Open angeben. Dort verzichtete er auf das perfekte Spiel, weil er mit dem Preisgeld von 10.000 Pfund für das Kunststück nicht einverstanden war. Diese Szene zeigt nämlich wunderbar, dass Ronnie O’Sullivan macht, was er will, dass er spielt, wie er will. Ein Querkopf. Ein Unangepasster. Einfach nur Ronnie O’Sullivan:

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